Die Mauer ist gefallen! Ein sehr komplexes und emotionales Thema. 1989 war ich Mitte Zwanzig. Sowohl die Erinnerungen an die DDR-Zeit als auch der Mauerfall und die Wiedervereinigung prägen mich bis heute. Der Fall der Mauer 1989 war ein historischer Moment, der große Hoffnungen auf eine neue Ära der Einheit und Freiheit weckte. Der Jubel und die Euphorie waren berechtigt, doch 35 Jahre später zeigt sich, dass noch immer von Ost und West als Gegensatz gesprochen wird. Die Mauer aus Beton ist gefallen, doch die mentale und gesellschaftliche Einheit benötigt weiterhin viel Engagement und Zeit. Es ist eine gemeinsame Aufgabe von Politik, Medien und Gesellschaft, die historischen Wunden zu heilen und alte Schubladen endlich zu schließen. Einander verstehen und nicht übereinander reden – das ist die Verantwortung von Politik und Medien. Denn Sprache schafft Realität! Ich hoffe, dass zukünftige Generationen nicht mehr in Ost und West kategorisieren, sondern sich als Einheit sehen und sich gemeinsam für Chancengleichheit und ein faires Miteinander einsetzen. Nur so können wir in einer gerechten Welt leben, in der Herkunft und Geschlecht keine Rolle spielen und wir den Menschen in seiner Einzigartigkeit sehen, ohne Vorurteile.
Umso größer ist die Freude darüber, dass die Zusammenarbeit zwischen den Partnerstädten Lübeck und Wismar so gut und beständig ist. Zahlreiche Veranstaltungen in der Vergangenheit, wie die mit meiner Kollegin Elke anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls, bei denen Frauen aus Lübeck und Wismar ihre Gedanken zum Mauerfall teilten, oder die Veranstaltung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls „Frauen grenzenlos“, bei der sie von ihren Träumen, Wünschen und Zielen erzählten, haben gezeigt, dass Zuhören und das Einnehmen unterschiedlicher Blickwinkel die Voraussetzungen für ein besseres Verstehen und ein faires, gleichberechtigtes Miteinander sind. Besonders hervorzuheben ist auch die Lesung mit Valerie Schönian in Lübeck und Wismar aus ihrem Buch „Ostbewusstsein“, die diese wichtigen Themen weiter vertieft hat. Nach wie vor schaue ich zuversichtlich in die Zukunft; ich sehe die Generation meiner Kinder, die viele Themen anpackt, in die Welt hinausgeht und als Europäerinnen und Europäer Verantwortung übernehmen will.
Petra Steffan ist Gleichstellungsbeauftragte der Hansestadt Wismar.