14. Oktober 2024

Halten die Mauern der Kirche?

von Gisela Best

Offene Grenzen

[Foto: Gisela Best]

 

Seit 40 Jahren bietet das Kirchenasyl durch seine kirchlichen Mauern Geflüchteten Schutz vor einer Abschiebung. Der Staat toleriert das, es gibt aber auch immer wieder Konflikte.
Zuletzt kam es zu Räumungen von Kirchenasylen durch die Polizei - im Dezember 2023 in Mecklenburg-Vorpommern, als ein bewaffnetes Sondereinsatzkommando anrückte, um eine afghanische Familie aus einem Kirchenasyl abzuschieben - oder jetzt gerade, ganz aktuell, in Hamburg.

Grenzen werden überschritten!

Räumungen von Kirchenasylen sind ein Zeichen dafür, dass sich der Umgang mit Geflüchteten und auch der Status der Kirchen in Deutschland verschiebt.
Die Institution des Kirchenasyls hat religionsgeschichtlich eine lange Tradition. Tempel und Kirchen boten einen Schutzraum für Verfolgte, seine Verletzung galt als Sakrileg.

Und was passiert heute und hier?

Die „Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche” hat zum Tag des Kirchenasyls am 30. August 2024 von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gefordert, das Kirchenasyl zu bewahren und Räumungen zu verhindern.

Die Zeit des Kirchenasyls wird in der Regel dazu benötigt, um in bestimmten Härtefällen erneut Überprüfungen durchführen zu können. In vielen Fällen konnte dadurch erwirkt werden, dass positive Asylbescheide ausgestellt und letztlich Leben gerettet wurden.

Eine Perspektive von offenen Grenzen

Das Foto, das ich in Linz aufgenommen habe, zeigt eine weitergehende Forderung. Es geht dabei schlussendlich um offene Grenzen und globale Bewegungsfreiheit. Es geht um das einfache Recht zu bleiben und zu gehen.
Während wir im „globalen Norden“ oder „Westen“ fast überallhin reisen können, wird der Großteil der Menschheit daran gehindert, auch mit Gewalt.

Gerechtigkeit und Gleichheit

Das Recht auf Asyl, der Schutz vor Zurückweisung ist unveräußerlich. Völkerrechtlich ist das in der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Grundrechte-Charta der EU und anderen Menschenrechtsabkommen verankert. Im Artikel 2 des Vertrags der Europäischen Union heißt es: "Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte …"
Die gegenwärtige Politik der EU-Mitgliedsstaaten, so Pro Asyl, ignoriert dieses Bekenntnis und bricht das Völkerrecht: "Am Umgang mit Flüchtlingen zeigt sich, wie verlässlich das Versprechen Europas ist, die Menschenrechte einzuhalten. Das Sterbenlassen von Menschen an den Außengrenzen Europas und ihre Abschiebung in Folter und Tod gehören zu den dunkelsten Kapiteln der europäischen Politik. Die Abschottung und der Versuch der EU-Mitgliedstaaten, die Flucht- und Migrationskontrolle in Transit- und Herkunftsländer zu verlagern, sind verantwortungslos und menschenverachtend."

Die Nordkirche formuliert in ihrer Verfassung im Artikel I zum Wesen und Auftrag der Kirche: "Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland tritt ein für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sowie für die Wahrung der in der Gottesebenbildlichkeit gründenden Menschenwürde und der Menschenrechte in der Welt. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland wendet sich gegen alle Formen der Diskriminierung und fördert ein von Gleichberechtigung bestimmtes Zusammenleben der Menschen."

Somit richtet sich mein Blick in die Zukunft mit dem Wunsch, dass Gerechtigkeit und Gleichheit die leitenden Maßstäbe für unser Miteinander sind.

 

Argumente für eine humane Flüchtlingspolitik hier zum Weiterlesen: https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/WEB_Argumente_ggRechts.pdf

 

Gisela Best ist Referentin für gesellschaftspolitische Fragen aus Frauensichten im Frauenwerk der Nordkirche im Büro Rostock.