Was bedeutet es eigentlich, Mensch zu sein und was bedeutet es, Mensch zu bleiben unter den unmenschlichen Bedingungen der Gefangenschaft im Konzentrationslager?
„Ja, ich hatte gelacht! Man lachte so selten im Lager, wie gut das tat!“, schreibt Anise Postel-Vinay in einer Erinnerung. Sie bezieht sich auf eine humoristische Operette, die ihre Freundin Germaine Tillion im KZ Ravensbrück über das Leben dort verfasste. Und sie fügt hinzu: „Aber ich habe Angst. Was wird mit Germaine passieren, wenn die Blätter entdeckt werden? Sie wird im „Zellenbau“ verschwinden, und wir werden sie nie wiedersehen.“*
Zeugnisse wie dieses berichten vom Widerstand gegen die Entmenschlichung im KZ. Sie erzählen von Nähe und von der gemeinschaftsstiftenden Kraft der Musik, der Poesie, des Lachens und Erzählens, der Erinnerung und der Religion. Heimlich und im Verborgenen ereignete sich diese Gemeinschaft, immer begleitet von der Angst, entdeckt und bestraft zu werden. Dennoch wurde sie als stärkend und tröstlich erlebt; sie ermöglichte kleine Fluchten aus dem lebensfeindlichen Lageralltag.
Das Interreligiöse Gedenken widmet sich in diesem Jahr solchen Zeugnissen des „Menschbleibens“ von in Ravensbrück gefangenen Frauen. An verschiedenen Stationen auf dem ehemaligen Lagergelände werden ihre Berichte zu hören sein. Die jüdischen, christlichen und muslimischen Mitwirkenden in der Zukunftswerkstatt Interreligiöses Gedenken Ravensbrück laden zu diesem Rundgang ein. Schülerinnen des Arndt-Gymnasium Dahlem in Berlin werden das Gedenken mit einem individuellen Beitrag der Auseinandersetzung begleiten. Am Ende des Rundgangs soll eine gemeinsame Zeichenhandlung stehen. Wer möchte, kann dazu einen Stein oder Blumen mitbringen, um sie dort abzulegen.
*Anise Postel-Vinay, Zeugnis; in: „Le Verfügbar aux enfers. Eine Operettenrevue in Ravensbrück“, Semi-stage Fassung nach der Welturaufführung im Théâtre du Châtelet im Juni 2007.
SO, 23. April, 14.45-17 Uhr
Ort: Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Treffpunkt: vor dem Besucherzentrum
Leitung: Zukunftswerkstatt Interreligiöses Gedenken Ravensbrück | Franziska Pätzold, Frauenwerk der Nordkirche, Rostock
Kosten: keine
Ravensbrück war von 1939 bis 1945 das zentrale Frauen-Konzentrationslager des NS-Regimes. Mehr als 120.000 Frauen und Kinder aus über 30 Ländern sowie 20.000 Männer und 1.200 weibliche Jugendliche wurden dorthin verschleppt. Mindestens 28.000 Häftlinge wurden durch die Haftbedingungen, Mordaktionen und zuletzt in einer provisorischen Gaskammer umgebracht. Das Interreligiöse Gedenken findet im Rahmen des Gedenkwochenendes der Befreiung des KZ Ravensbrück statt. Vorbereitet wird es von der „Zukunftswerkstatt Interreligiöses Gedenken“, in der sich jüdische, christliche und muslimische Frauen und Männer engagieren. Anliegen der Zukunftswerkstatt ist es, Gedenkformen zu finden, die religiösen wie nicht religiösen Menschen zugänglich sind und die eine Brücke schlagen zwischen dem Gedenken an die Opfer und der Verantwortung für Gegenwart und Zukunft.