Transkulturelles und Interreligiöses Lernhaus der Frauen
Vielfalt entdecken – Dialog erleben – Zusammenleben gestalten
Das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen prägt unsere Gesellschaft. Durch Globalisierung und Migration begegnen uns viele unterschiedliche Sprachen, Arten sich zu kleiden oder zu essen, Musik, religiöse Rituale u.a. Manches wandert in eine Kultur ein und manches bleibt fremd, Kulturen verändern sich, klare Grenzen lösen sich auf. „Kulturen fließen ineinander“ (Ilja Trojanow). Die entstehende Vielfalt ist eine große Bereicherung und gleichzeitig eine Herausforderung. Unterschiede aushalten, Meinungsverschiedenheiten friedlich austragen, Missverständnisse dialogisch auflösen und das Miteinander für alle fruchtbar gestalten zu können. Genau das ist das Ziel des Lernhaus der Frauen, diese Fähigkeiten miteinander auszubilden und somit unsere demokratische Gesellschaft zu stärken.
Ein Ort der Begegnung auf gleicher Augenhöhe
Das Transkulturelle und Interreligiöse Lernhaus der Frauen ist ein Ort der Begegnung und des Dialogs für Frauen mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln, mit oder ohne Migrationshintergrund, mit oder ohne Zugehörigkeit zu einer Religion, mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, Lebensaltern, Fähigkeiten, Fragen und Hoffnungen. Dieser Ort ist räumlich nicht an einen bestimmten Platz gebunden. Ein Lernhaus kann in Kirchen- oder Moscheegemeinden, in interkulturellen Stadtteilzentren oder Projekten entstehen - überall dort, wo es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen.
Es gilt: Jede Frau ist willkommen!
Ein ausführliches Interview mit Friederike Brandtner und Inas Sharif ist hier zu lesen. Es erschien 2019 in der Zeitschrift Innovative, Ausgabe 34.
Weitere Stimmen kommen in diesem Video der Evangelischen Erwachsenenbildung Niedersachsen zu Wort: Transkulturelles Lernhaus der Frauen – warum das gut ist: https://www.youtube.com/watch?v=VGTFZj4TGIA
Lerngemeinschaft auf Zeit
Wir begeben uns ein Jahr lang auf einen gemeinsamen Lernweg. Die Lerngruppe trifft sich in der Regel einmal im Monat für drei Stunden. Die regelmäßigen Treffen ermöglichen einen intensiven und nachhaltigen Lernprozess.
Wir erkunden offen und behutsam, was die Anderen denken.
Wir öffnen uns für ihre Sichtweisen.
Wir stellen uns unseren Vorurteilen und Ängsten.
Wir entdecken Gemeinsamkeiten, wo wir sie nicht vermutet hätten und lernen, Unterschiede stehen zu lassen.
Wir lernen miteinander und voneinander über die Rollen von Frauen in unterschiedlichen Religionen, Familie, Arbeit, Gesundheit, Rassismus, Spiritualität u.v.m. In einem ehrlichen Dialog ist auch Raum für schwierige Fragen wie Umgang mit Gewalt, patriarchalen Strukturen, unterschiedlichen Glaubenstraditionen.
Wir teilen persönliche Erfahrungen.
Und wir feiern und lachen miteinander.
Gemeinsam entwickeln wir eine Haltung des Dialogs und Respekts.
Interesse am Lernhaus?
Wenn Sie Fragen zum Lernhaus haben, an einem Kurs teilnehmen möchten oder selbst ein Lernhaus anbieten möchten, z.B. in einem Kirchenkreis oder einer Gemeinde, wenden Sie sich bitte an
Delphine Takwi
Frauenwerk der Nordkirche, Königsstr. 54, 22767 Hamburg
delphine.takwiund@nochfrauenwerk.nordkirche.de
Mehr Infos (mehrsprachig) gibt es hier.
Das Gesamtprojekt wird koordiniert von:
Pastorin Joy Devakani Hoppe, Ökumenische Arbeitsstelle Weitblick, Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein
Susanne Kaiser, Arbeitsstelle Ökumene / Interkulturelle Kirche Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost
Nedra Ouarghi, Fachrat Islamische Studien e.V., Hamburg
Delphine Takwi, Frauenwerk der Nordkirche, Hamburg
Annette Reimers-Avenarius, Ökumenebeauftragte der Nordkirche, Geschäftsführerin Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Hamburg
Pastorin Dr. Michaela Will, Frauenwerk des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein
Impressionen vom Kursus 2019 und 2020
Das sagen ehemalige Lernhaus-Teilnehmerinnen
Beatrix Teucher, Lehrerin aus Hamburg: „Als Religionslehrerin in Hamburg-Wilhelmsburg unterrichte ich Kinder aus ca. 37 Nationen mit unterschiedlichen religiösen Bekenntnissen. Ich interessiere mich sehr für den Glauben und die Kultur anderer Menschen. Im Alltag erlebe ich es, dass die Eltern meiner Schüler*innen sich eher zurückhalten, etwas aus ihrer Kultur zu erzählen, vielleicht, weil ich die Lehrerin bin. Die Teilnahme am Lernhaus hat mich motiviert, so viel wie möglich von ihrer Situation zu verstehen, Hintergründe für Glauben, Denken und Handeln zu entdecken. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Dinge Zeit brauchten und dass etwas wächst, wenn man sie sich nimmt.“
Hanne-Margret Birckenbach, emeritierte Professorin für Politikwissenschaft mit Schwerpunkten Europapolitik, Friedens- und Konfliktforschung, Hamburg: „Ich wollte erproben, wie ich mit Frauen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten über die Probleme, die sich aus ihrer jeweiligen Sicht im Zusammenleben in Deutschland stellen und wie sie sich dazu als Frauen verhalten können, ins Gespräch kommen kann. Ich hatte das gemeinsame Lernen auch als eine politische Frage verstanden. Ich empfand alle Teilnehmer als sehr offen, es war eine vertrauensvolle Atmosphäre, ich sehe nun einiges mit anderen Augen. Partizipation und Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte ist möglich!!!“
Lawretta Nkansah, Hamburg:„Am Anfang war ich nicht so motiviert zu kommen. Ich hatte Vorbehalte, dass die Deutschen rassistisch sind. Wir erleben das oft, wenn wir zu Behörden gehen oder anderswo. Ich hatte Sorge wegen der Sprache. Dann merkte ich, dass es gut für mich war hierher zu kommen. Hier gibt es keinen Rassismus. Wir haben uns ausgetauscht, wir sind alle gleich wichtig, wir sind offen füreinander.“
Zulaiya Rufai-Bamba, Hamburg: „Ich bin seit 20 Jahren in Deutschland und habe noch nie eine solche Gruppe erlebt. Wir sind hier, alle Kulturen, wir haben etwas zusammen gemacht. Ich habe über alle Kulturen etwas gelernt. Wichtig war der Austausch über Rassismus. Sonst reden nur die Migranten darüber, hier auch die Deutschen. Zusammen können wir es schaffen.“
Inas Sharif, früher Lehrerin in Syrien, seit 2017 in Hamburg: „Ich kann meine Haltung zeigen und so dazu beitragen, dass sie weniger Angst vor Begegnungen haben und andere leichter akzeptieren. Es hilft mir auch in meinem Alltag, weil auch bei mir die Angst vor Anderen einfach wegschmilzt, kulturelle und sprachliche Barrieren lassen sich überwinden. Diese Erfahrung möchte ich gerne auch anderen Geflüchteten weitergeben: Es ist möglich, über die Brücke zu gehen. Und ich hoffe, dass es mir auch zukünftig bei meiner Arbeit als Lehrerin oder auch anderswo helfen wird.“
Friederike Brandtner, abgeschlossenes Studium der Religionswissenschaften, Hamburg: „Ich begleite Menschen im Kirchenasyl und kann das Gelernte dort ganz konkret anwenden. Und ich möchte meine Erfahrungen in einer Hausarbeit an der Uni über den christlich-islamischen Dialog einbringen. Es hat auch privat Auswirkungen auf mich, weil ich mich verändert habe. Ich habe mich gezeigt, wie ich das weder an der Uni noch im Kirchenasyl machen würde.“
Ausbildung von Dialogexpertinnen mit Zertifikat
Die Lernhaus-Frauen werden zu Dialogexpertinnen und Multiplikatorinnen ausgebildet. Hierfür erhalten sie eine qualifizierte Teilnahmebescheinigung.
Sie können das Gelernte bei ihrer Arbeit oder auch im persönlichen Umfeld, in den Schulen ihrer Kinder, Familien, Gemeinden wirkungsvoll einsetzen.
Sie setzen sich dafür ein, Brücken zu bauen, wo es Konflikte gibt.
Sie hören zu, wo Menschen nicht gehört werden.
Sie geben denen eine Stimme, die nicht gut für sich selbst sprechen können.
Sie werben für Verständnis und Toleranz.
Sie vermitteln Wissen und bauen dadurch Vorurteile ab.
Sie leben eine dialogische Haltung.
Und sie tragen so zu einem respektvollen Umgang miteinander und einem friedlichen Zusammenleben in unserer Gesellschaft bei.